Santiago saß entspannt, ein Bein ruhte
auf einem grünen Vorratsbehälter, doch sie beobachtete Deirdre
mit messerscharfen Blicken. Eine lag Hand auf ihrem Oberschenkel, mit der
anderen bewegte sie die Splitterpistole in einem nur für sie wahrnehmbaren
Rhythmus hin und her. Deirdre stand vor der kleinen Gruppe ihrer Mitarbeiter
und versuchte, Santiagos Blick standzuhalten.
Plötzlich störte ein metallischer Ton die gespenstische Ruhe. Im
Treibhaus begannen rote Warnleuchten zu pulsieren. Die Bedrohung durch die
Rebellen vergessend, stürzte eine von Deirdres Botanikerinnen, eine
besonnene Brünette namens Tara, auf einen nahegelegenen Terminal zu.
Santiago hatte sich nicht bewegt, doch sie schien außerordentlich
angespannt zu sein. Ihre Lippen kräuselten sich.
"Was ist hier los?" schnauzte sie Tara an. Die Frau schien sie nicht zu beachten
und wandte sich Deirdre zu.
"Die Luftzufuhr zu diesem Raum wurde unterbrochen und die Luke ist luftdicht.
Es scheint, als ob sie uns die Sauerstoffzufuhr abschneiden. Uns bleiben
...zehn Minuten... maximal. Dann werden wir schwächer, .... ohnmächtig
.... und schließlich werden wir tot sein..."
Santiago sprang auf. Hastig gab sie eine Nachricht in ihren Schnellverbinder
ein. "Junack, hier ist Santiago. Ziehen Sie Ihre Leute von der Tür ab
und melden Sie jegliche Aktivität des Feindes. Stellen sie Wachen auf..."
Sie hielt plötzlich inne und starrte Deirdre an. Deren Augen wanderten
für den Hauch eines Augenblicks ... auf ihren tragbaren Computer.
Santiago überwand die Entfernung zu Deirdre mit einem Satz und griff
nach ihrem Arm. Deirdre wich mit erstaunlichem Geschick zurück, um dem
Griff zu entgehen.
"Was soll das?", Santiago war sichtlich verärgert.
"Nichts", antwortete Deirdre. "Die Homeostase ist aufgrund des Sauerstoffmangels
ausgefallen... die Computersysteme geben Alarm."
"Herzeigen." Der Klang ihrer Stimme blieb ernst. Deirdre streckte ihren Arm
aus und gab einen Code auf dem flachen Bildschirm ein.
"Sinnlos", murmelte Santiago besorgt. Auf dem Bildschirm flackerten verschiedene
Codes, die die chemische Zusammensetzung der Luft darstellten. "Gibt es hier
keinen Sauerstoff? Wo sind die Notaggregate?"
"Hinter diesem Trägerbalken..." Deirdre deutete auf einen Bogen auf
der anderen Seite des Treibhauses. "Außer, sie wurden ebenfalls gesperrt."
"Du", Santiago zeigte auf Tara. "Überprüf' die Geräte. Ich
will wissen, ob es hier Sauerstoff gibt." Und zu Deirdre: "Denken Sie nach,
Officer, schnell. Hier gibt es Chemikalien... ist es irgendwie möglich,
daraus Sauerstoff herzustellen?"
"Ich ... glaube nicht", entgegnete Deirdre. Diese Frau ist hochintelligent
schoß es ihr durch den Kopf. Vorsichtig... "Lassen Sie mich einen Blick
auf die Vorräte werfen. Vielleicht gelingt es uns..."
"Machen Sie schnell. Kurn, beobachte Sie sie!" Santiago gab ihrem Begleiter
ein Zeichen. Der kleinere, kräftige Mann folgte Deirdre, als sie auf
die Kanister hinter einigen Olivenbäumen zuging. Gleichzeitig setzte
Santiago eine Nachricht an die Kommandozentrale ab. "Captain Garland, hier
spricht Santiago. Ich halte Ihre Vorgehensweise für unverantwortlich.
Machen Sie sich keine Gedanken über die Geiseln?" Sie starrte
verärgert auf die Schnellverbindung: "Die Kerle hören nicht einmal
zu."
Sie schreckte auf. Plötzlich hatten alle Mitarbeiter Deirdres auf ihre
Schnellverbindung gestarrt. Eine Meldung! Schlagartig warfen sie sich alle
zu Boden.
Santiago sprang zurück und suchte instinktiv den Schutz der Wand in
ihrem Rücken.
"Brennstäbe vorbereitet, " sagte Zakharov. "Reaktor aktiviert. Noch
einen Moment Geduld. Als Test genügen drei Energiestöße."
In diesem Moment nahm Garland beinahe unbewußt ein hochfrequentes Summen
wahr. Er ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Jeder der Anwesenden
wirkte geistesabwesend.
Zakharov schien ruhig doch angespannt zu sein. Yang sprach eindringlich in
seine Schnellverbindung.
Dann durchschnitt ein lautes Krachen die Luft und das Schiff begann heftig
zu schwanken. Garland stürzte zu Boden. Er hörte das Kreischen
des Metalls und fühlte, wie sich die Erschütterung in der Unity
ausbreitete.
Der Boden begann unter Santiago zu schwanken. Wie ein Wellenreiter versuchte
sie, die Balance zu halten, als das Schiff unter ihr bebte. Deirdres Mitarbeiter
legten während des Fallens ihre Hände schützend über
die Köpfe, bevor sie ineinander fielen. Deirdre stürzte kopfüber
in einen Stapel Plastikzylinder mit Düngern und Chemikalien. Blitzschnell
wirbelte sie herum, als Kurn auf sie zutaumelte.
Ihre Fingernägel bohrten sich unter das Sicherheitsventil eines Kanisters,
als sie es abriß. Flüssiger Stickstoff schnellte heraus und fand
sein Ziel: Kurns Gesicht. Er heulte auf, mehr vor Schreck als vor Schmerz.
Deirdre rollte sich zu Seite. Die Bäume um sie herum schwankten und
bebten. Die Zweige peitschten durch den Himmel wie die Arme einer Vogelscheuche
während eines Gewitters. Dann sah sie die unzähligen Sprünge,
die sich wie Blitze auf den Glasplatten des Treibhauses ausbreiteten.
Oh Gott ... das Schiff...
Ein metallisches Ächzen erschütterte das Schiff, das in seiner
ganzen Länge zu vibrieren begann. Außerhalb des Treibhauses erkannte
sie Landemodule, die wie alle anderen Strukturen des Schiffes heftig schwankten.
Pock, pock, pock. In der Nähe ihrer Füße begann der Boden
auseinanderzubrechen. Sie blickte auf, ihr Puls raste...
Santiagos Fähnrich, der kleine Kurn, rieb sich mit einer Hand seine
Augen. Mit der anderen Hand fuchtelte er wild umher, als mehrere Salven seiner
Splitterpistole das Treibhaus erschütterten.
"Skye!"
Deirdre sah Tara, die eine der Bespannungspistolen in der Hand hielt, mit
denen normalerweise die Plexiglasscheiben des Treibhauses repariert wurden.
Sie taumelte durch den Raum und richtete das seltsame Gerät auf Kurn...
und drückte ab.
Das Gerät schoß eine schimmernde transparente Folie ab, die einen
Durchmesser von etwa drei Metern hatte und sich im Licht kräuselte.
Normalerweise verwendete man diese Methode zur Befestigung der Glasplatten.
Dort würde sich die Folie ausbreiten und der Glaskonstruktion durch
starke Spannung neuen Halt verleihen.
Nun legte sich die Folie um den keuchenden Spartaner. Tara betätigte
einen Schalter der Waffe und gab dadurch einen neuen Impuls. Die Augen des
Spartaners waren weit aufgerissen und er begann zu schreien, als sich die
Spannungsfolie eng um seinen Körper legte und begann, ihm die Haut
abzureißen. Sie sah, wie sich seine Augen in Panik weiteten. Es gab
kein Erbarmen: Seine Haut platze auf, als die Folie ihn langsam tötete.
Die Schreie waren dumpf, als drängten sie durch eine Wand in den Raum.
Das Schiff kam zur Ruhe, das Beben des Bodens legte sich. Deirdre Skye stand
langsam auf. Blätter trudelten durch die Luft und bedeckten den Metallboden
des Treibhauses. Ein dunkler Wasserschwall trat aus einem Wassertank. Sie
hatte bereits feuchte Füße.
"Sind alle in Ordnung? Tara? Nhoj?" Sie ließ ihren Blick durch den
Raum wandern. "Wo ist Santiago?"
"Hier", sagte eine heißere, angsterfüllte Stimme. Deirdre drehte
sich um.
Nhoj kniete neben Santiago nieder, die seltsam verrenkt neben einem
Kompostbehälter nahe der Wand des Treibhauses lag. Ihre Augen waren
geschlossen, das Gesicht glich einer entspannten Maske. Deirdre sah sie einen
Moment an und stellte sich das kräftige Herz vor, das immer noch in
der Brust dieser Frau schlug. Dieses tiefe Verlangen, um jeden Preis zu leben...
so ähnlich und doch so anders als Deirdres...
Nhoj löste vorsichtig die Splitterpistole aus Santiagos Griff. "Sie
ist bewußtlos. War das der Plan?"
Nhoj sah so verwirrt aus, daß Deirdre zu lächeln begann und
schließlich lauthals lachte, als die Anspannung aus ihrem Körper
wich. "Fesselt sie, schnell, womit ist mir egal. Ich werde den Captain
benachrichtigen. Scheint so, als hätten wir Santiago."
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