"Was will Santiago?"
Der Captain beobachtete Santiagos Abgesandte in einem kleinen, spärlich
eingerichteten Nebenraum der Kommandozentrale. Sie saß an einem kleinen
weißen Tisch, die Hände sichtbar, aber nicht gefesselt. Der Mann,
der sie gefangengenommen hatte, ein drahtiger Kerl namens Guillaume, stand
hinter ihr. Die Pistole in der Hand, starrte er auf ihren Rücken. Sein
Blick war haßerfüllt.
Die Abgesandte streckte sich. "Warum stehe ich unter Arrest? Ich kam als
friedliche Unterhändlerin."
Garland schüttelte den Kopf. "Friede? Die Rebellen haben das Schiff
zerstört und Mitglieder meiner Crew ermordet ..."
"Nicht ermordet. Bekämpft." Sie spielte mit ihren Fingern. "Wir verteidigen
lediglich unsere Position. Nicht mehr und nicht weniger."
Garland schüttelte erneut den Kopf. "Ich verstehe nicht. Welche Position?
Woher nehmen Sie sich das Recht, das Blut Ihrer Kameraden zu vergießen
und den Bordcomputer umzuprogrammieren?"
"Unser Vorgehen wird durch unseren Verhaltenskodex gerechtfertigt. Sie haben
versucht, in Dinge einzugreifen, die wir als fundamental für unser
Überleben erachten. Wir mußten dieser Aggression mit Gewalt begegnen."
"Mußten?" Eine tiefe Frauenstimme schaltete sich in die Unterhaltung
ein. Garland wandte sich der Stimme zu. In der Tür stand Miriam. Ihre
leuchtend blaue Uniform absorbierte beinahe das gesamte Licht des Raumes.
Sie preßte ihre Hand an die Hüfte. Künstliches Gewebe sollte
dort ihre Wunden heilen. Trotzdem war ihre Haltung aufrecht und vermittelte
starkes Selbstvertrauen.
"Miriam!" Er lächelte, wandte sich Miriam zu und berührte ihren
Unterarm. "Schön, Sie wiederzusehen."
"Ich konnte nicht ewig auf dem Sanitätsdeck bleiben, Captain. Ich brauchte
Abwechslung. Außerdem meinte Pravin, Sie könnten meine Hilfe
brauchen."
"Das kann man wohl sagen." Er deutete auf die Abgesandte. "Ich muß
mich jetzt ohnehin um das Schiff kümmern. Scheint so, als will Santiago
mit uns verhandeln."
"In der Tat." Miriam näherte sich. Dem Blick der Abgesandten standhaltend
umspielte ein Lächeln ihre Lippen. "Ihre Kommandantin muß großes
Vertrauen in Sie setzen, daß sie Sie hierher schickt. Sprechen Sie
für Santiago?"
Die Abgesandte nickte. "Ich spreche für mich selbst, doch meine Interessen
sind auch die Interessen des Colonels. Ich bin hier, um eine Nachricht zu
überbringen."
"Eine Nachricht?" Miriam nahm in einem kleinen Kunststoffstuhl Platz. Der
Captain wartete an der Tür zur Kommandozentrale, die Arme vor der Brust
verschränkt.
"Erstens will der Colonel niemanden verletzen. Wir versuchen nur, unser Schicksal
auf diesem Planeten selbst zu bestimmen."
"Wer sind 'wir'? Wer seid ihr, daß ihr alle in einem derart kleinen
Pronomen Platz findet?"
"Wir sind Kämpfer, die letzten und besten. Wir gehören einem
Kampfverband an, der noch auf der Erde gegründet wurde."
Und gegen wen kämpft ihr? Gegen uns?"
"Gegen jeden." Ihre Lippen kräuselten sich, als sie lächelte "
Nicht gegen Sie speziell. Jeder
Schwache. Jeder, der eine Bedrohung
für das Überleben der Menschheit darstellt."
Garland erhob seine Stimme: "Wir versuchen, das Überleben der Menschheit
sicherzustellen. Es sind Leute wie Sie, die es gefährden."
Sie warf ihm einen Blick zu, ohne zu antworten. Miriam ergriff erneut das
Wort. "Santiago will also eine friedliche Lösung? Würde sie das
bei ihrer Ehre schwören?" Die Abgesandte nickte. "Und wann wird sie
mit uns in Verbindung treten?"
"Wenn sie glaubt, daß die Zeit reif ist. Bald."
"Was genau will Santiago eigentlich?" schaltete sich Garland erneut ein.
"Hier." Sie streckte ihm ihren Unterarm entgegen. Garland war verwirrt, doch
dann erkannte er, daß sie Daten von ihrem tragbaren Computer auf seine
Konsole übermittelte. Er schaltete auf Empfang und es erschien eine
Liste verschiedener Forderungen. Rasch überflog er die ersten
Einträge.
"Eine komplette Landekapsel? Nahrungsmittel und Nachschub, die für eine
tausend Mann starke Besatzung gedacht sind - für eine kleine Gruppe
von Rebellen?"
"Unterschätzen Sie uns nicht." Garland und Miriam starrten sie, von
ihrem Selbstvertrauen verblüfft, an. Ein Schauder lief über Garlands
Rücken.
"Ich schätze 50, maximal 100 Mann. Ungeachtet
" er hielt kurz inne,
als er den Schatten in ihren Augen sah. "Es ist sinnlos, jetzt darüber
zu diskutieren. Ich werde die Forderungen lesen, während ich auf Santiago
warte. Wir wollen eine friedliche Lösung, aber wir werden uns nicht
in unserem eigenen Schiff zu Geiseln machen lassen."
Miriam streckte der Abgesandten eine Hand entgegen. "Wo ist sie jetzt? Wo
ist Santiago?"
Die Abgesandte beobachtete sie kühl. Ihre weiten Augen verdunkelten
sich. "Wo immer sie es wünscht".
Die Tür zur Kommandozentrale öffnete sich. Pravin trat mit ernstem
Gesicht in den Durchgang.
"Captain wir haben nicht autorisierte Bewegungen in den Kältedecks
aufgezeichnet. In der Nähe des Treibhauses."
|